Werkbuch - III. Phase 1 - Sechs Alternativ-Projekte - 40 Jahre ZWSaar
Werkbuch
III. Phase 1:
Sechs Alternativ-Projekte 40 Jahre ZWSaar - 1980-2020
III. Phase 1 - Sechs Alternativ-Projekte
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Der Fahrrad-Laden GmbH
Saarbrücken
Blumenstraße 42
Telefon 06 81/37098
Das FAHRRAD ist ein umweltfreundliches preiswertes und gesundes Fortbewegungsmittel.
Wir möchten stabile, langlebige, sichere FAHRRÄDER und sinnvolles Zubehör verkaufen und keine Wegwerfprodukte zu Lasten knapper Rohstoffe.
Wir möchten jedem die Technik des FAHRRADES durchschaubar machen und bieten deshalb an: Selbstreparaturtage und Selbsthilfekurse.
Wir versuchen konstruktiver Ansprechpartner zu sein für alle Probleme, die mit dem FAHRRAD zu tun haben.
Verein
Projektpartnerschaft
Dritte Welt e. V.
Königstraße 22
6630 Saarlouis 2
Telefon 068 31/874 59
Ziele des Vereins
In Anlehnung an Städtepartnerschaften, die zwischen zahlreichen deutschen und ausländischen Gemeinden bestehen, wollen wir partnerschaftliche Beziehungen zwischen selbstverwalteten Projekten im Saarland und Selbsthilfeprojekten in der Dritten Welt aufbauen.
En wichtiges Zeil liegt darin, durch die Unterstützung konkreter Projekte insbesondere kleiner Handwerks- und Dienstleistungsbetriebe in Ländern der Dritten Welt Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten.
Kurzfristig wollen wir durch Geldspenden, Sach-spenden (z.B. Werkzeug) oder durch den Vertrieb von Produkten, die von "Partnerbetrieben" in der Dritten Welt hergestellt und über saarländische Projekte zu gerechten Preisen verkauft werden, den Aufbau von Selbsthilfeprojekten in der Dritten Welt fördern.
Längerfristig streben wir einen Austausch von Handwerkern und Produkten aus den Partner-projekten an und wir werden versuchen, Jugendliche der Dritten Welt in selbstverwalteten Betrieben im Saarland Aus- bzw. Weiterbildungsmöglichkeiten zu verschaffen, damit sie Projekte in ihrem Heimatland auf- oder ausbauen können.
Ein weiteres Ziel der Projektpartnerschaft ist die Förderung des Gedanken der Völkerverständigung und der Solidarität zu den Menschen in der Dritten Welt.
isf Institut für Selbstverwaltung
In der Bundesrepublik gibt es inzwischen ca. 50.000 selbstverwaltete Projekte. Nach dem Absprung aus den ruhigen Gefilden herkömmlicher Arbeits- und Lebensformen, hinabtauchend in die schäumenden Wogen alternativer Ökonomie und Lebenskonzepte wird man aber nicht selten mit zum Teil erheblichen Schwierigkeiten konfrontiert. Eine ungenügende Vorbereitung, fehlende Finanzmittel, mangelnde Qualifikationen und das Unverständnis bei Behörden und Banken können schnell existenzbedrohende Situationen entstehen lassen.
Wir helfen durch:
Planung
Beratung
Weiterbildung
Forschung
das Institut für Selbstverwaltung
- betreibt eine regelmäßige Existenzgründungsberatung für selbstbestimmte Projekte. Jeden Dienstag von 16 bis 18 Uhr beraten wir Interessenten und Betreiber von selbstbestimmten Projekten in Fragen des Gesellschaftsrechts, der Finanzierung, bei behördlichen Anträgen usw.
- arbeitet wissenschaftlich an Konzepten einer neuen Genossenschafts-und Selbstverwaltungsbewegung und schaltet sich frei von Berührungsängsten in Diskussionen kommunaler und regionaler Struktur- und Wirtschaftsplanung ein.
RENTNERINITIATIVE UND ALTENHILFE e.V.
im NAUWIESER VIERTEL
Blumenstraße 26 Telefon 3 54 69
Der Verein "Rentnerintiative und Altenhilfe eV" wurde 1984 von Mitgliedern derZukunftswerkstatt Saar e.V.gegründet. Am 15. Juli 85 eröffnete der Verein in der Blumenstraße 26 einen Treffpunkt mit Bera- tungsstelle für ältere Bewohner des Nauwieser Viertels, indem zwei hauptamtliche Mitarbeiterinnen beschäftigt sind (1 Sozialpädagogin, 1 Dipl. Pädagogin).
Ziel des Vereins ist es, mitzuhelfen, die Lebensqualität hilfebedürftiger und älterer Menschen zu verbessern.
Mit Gleichaltrigen das Leben gerade im Alter aktiv gestalten- Ideen und Vorstellungen verwirklichen, den eigenen Interessen nachgehen, Kontakte zu Gleichaltrigen knüpfen, gemeinsam etwas zu unternehmen und herauszufinden, zu was man im Alter noch in der Lage ist.
Schreinerei Holzbock Saarbrücken
HOLZBOCK ist ein selbstverwalteter Betrieb, bei dem die Mitglieder gleichberechtigte Entscheidungs- und Mitspracherechte haben.
Auf der wöchentlichen Belegschaftssitzung werden Auftragslage, Auftragsabwicklung und alle betriebswirtschaftlichen Belange gemeinsam besprochen, die Aufgaben verteilt und von den Mitglieder eigenverantwortlich durchgeführt.
Damit ist gewährleistet, daß uns zum einen die Arbeit aufgrund ihrer Vielseitigkeit Spaß macht und motiviert, und zum anderen, daß wir uns stetig und allseitig qualifizieren können.
Neben der kollektiven Arbeit sind wir bestrebt, Eigensinn und das Leben nicht zu kurz kommen zu lassen.
Rundum-Service GmbH
häusliche Dienstleistungen und Recycling
6638 Dillingen, Weinligstraße 1
0 68 31/7 29 31
Im Juni 1985 haben wir (eine Frau und vier Männer) ein Handwerkerkollektiv gegründet. Unter dem NamenRundum-Service GmbHverfolgen wir im wesentlichen zwei Ziele.
Nach längerer Arbeitslosigkeit werden unsere Aussichten auf Arbeit immer geringer. Aus diesem Grund wollen wir mit unserer GmbH unsere Perspektive selbst bestimmen und unsere Gedanken von gleichberechtigter, selbstverwalteter Arbeit umsetzen.
Die Kenntnis davon, daß unsere Umwelt in zunehmendem Maße bedroht oder schon zerstört ist, bedeutet für uns die Verpflichtung, unsere Arbeit nach ökologisch vertretbaren Maßstäben auszurichten. Dies gilt für die Herstellung, die Verarbeitung und den Gebrauch der Materialien, die wir bei unseren Dienstleistungen bearbeiten. Darüber hinaus wollen wir uns verstärkt um das Recycling von Materialien bemühen, deren Herstellung unsere Umwelt stark belastet und einen hohen Energieeinsatz erfordert. Hier ist es unser Ziel ein verbraucherfreundliches Kon- zept der Sammlung des Umgangs und der Wiederverwertung zu erstellen.
III. Phase 1: Sechs Alternativ-Projekte
DieZukunftswerkstatt in Saarbrückenbeginnt im Jahre 1982 mit derGründung des selbstver- walteten Fahrradladens im Nauwieser Viertel. Rudi gab einen 14.000 DM Privatkredit - Keiner weiss, ob der jemals zurückgezahlt wurde - und der brandneue Fahrradladen kaufte einige Räder. AlsLeiter des Saarbrücker Instituts für Sozialforschung und Sozialwirtschaft (ISO)war Rudi eh in der Landeshauptstadt beruflich tätig und ein soziales Engagement dort naheliegend.Insgesamt wurden sechs ZW-Projekte aufgebaut.
„Der Fahrradladenverkauft neue und gebrauchte Räder. Er gibt Anleitungen zu Eigenreparaturen und führt einen Fahrradservice für interessierte Kunden und insbesondere für Kinder durch.Es werden Preisnachlässe für Behinderte und solche Kunden gewährt, die neue Anregungen für einen besseren Fahrradverkehr geben.Alle fünf Mitarbeiter des Geschäfts sind gleichberechtigte Chefs....
- Jeder hat eine Einlage gezahlt,
- Jeder hat eine Stimme.
Doch die Reingewinne, die der Laden abwirft, werden nicht dem einzelnen Miteigentümer angerechnet. Sie gehören der ganzen Gruppe. Scheidet ein Mitarbeiter aus, kann er nur seine Einlage mitnehmen. Von einer bestimmten Grenze an stellt der Fahrradladen sogar seine Gewinne der gesamtenZukunftswerkstattzur Verfügung. Zutiefstgenossenschaftliche Grundsätzesind es also, nach denen die Gruppe ihr Projekt, den Fahrradladen, betreibt" schreibt Mitautor Stephan Peter für den'Arbeitnehmer' - Zeitschrift der Arbeitskammer des Saarlandesin der Ausgabe 5/1984.Heute, knapp 40 Jahre später, existiert 'Der Fahrradla- den' immer noch. Zwar nicht als eingetragene Genossenschaft, aber der Eindruck von Alternativkultur beschleicht Einen weiterhin beim Betreten des Geschäfts.
Ursprünglich eine Hobbywerkstatt von Freunden mausert sie sich Mitte der 1980er Jahre zum Gewerbebetrieb, die"Schreinerei Holzbock GmbH in Selbstverwaltung". Ein Flyer der Zeit sagt zur Produktpalette: ,,betr. Kücheneinrichtungen, Arbeitsplatten aus massiver Buche und sonstigen Massivholzplatten - unsere Produkte sind aus Massivholz und mit ungiftigen Naturharzölen und/oder Wachsen mehrfach behandelt". Ein Statement zum Selbstverständnis und Marktantritt. Bis weit in die 1990er Jahre besteht der Betrieb.
In derAlten Feuerwache im Saarbrücker Stadtteil St. Johannist dieBürogruppe der Zukunfts-werkstattuntergebracht. Die drei hauptamtlichen Mitarbeiter führen eine Unternehmensberatung durch. ...Zum Aufgabenbereich... gehört aber auch die wissenschaftliche Forschung zu aktuellen Themen wie Genossenschafts- und Alternativbewe- gung, Selbstverwaltung und Selbsthilfe..... Sämtliche Mitglieder der Bürogruppe arbeiten eine bestimmte Stundenzahl pro Woche in den beiden anderen Projekten mit" (Arbeitnehmer, 5/1984). Auch eineZW-Bürogruppe existiert in Saarbrücken bis Anfang der 1990er Jahre.
Diedrei weiteren ZW-Projektesind dieSaar- brücker Rentnerinitiative, derSaarlouiser ge- meinnützige Verein Projektpartnerschaft Dritte Welt, zeitweisemit einem 3. Welt-Ladendort, und derDillinger Rundum-Service. Alle wurden zwischen 1983 und 1985 etabliert.
Die Rentnerinitiative, ebenfalls imNauwieser Viertelangesiedelt, hilft mit, die Lebensqualität hilfebedürftiger und älterer Menschen zu ver- bessern. Angebote werden älteren Menschen gemacht, die ihre Wohnung nicht mehr oder nur schwer verlassen können; oder noch rüstig sind und gerne mit anderen etwas unterneh- men möchten (Rentnerinitiative-Flyer, Mitte der 1980er Jahre).Projektpartnerschaft Dritte Weltsieht als Vereinsziel den Aufbau partnerschaft-
licher Beziehungen zwischen selbstverwalteten Projekten im Saarland und Selbsthilfeprojekten in der Dritten Welt- angelehnt an Städtepart ner-schaften. Hilfe zur Selbsthilfe durch die Unterstützung kleinerer Handwerks- und Dienstleistungsprojekte ist wichtiges Anliegen.. Mithilfe beimAufbau einer Elektrowerkstattein erstes konkretes Projekt (Vereinsflyer, Mitte der 1980er Jahre). DerRundum-Service mit Stütz- punkt in Dillingenbietet - persönlich, lokal - Handwerks, Maler- und Hausmeistertätigkeiten an.
Das Durchschnittsalter der Mitglieder derZukunftswerkstatt Saarund ihrer Projekte liegt Mitte der 1980er Jahre bei etwa 30 Jahren. Speziell in Saarbrücken und der regionalen Al- ternativbewegung ist sie ein Begriff. Dafür spricht auch dieOrganisation der 1. Saarländischen Alternativmesse 1985. Ein riesiges Zelt auf einem Platz vor der Saarbrücker Alten Feuerwache mit Alternativbetrieben und -projekten aller Art aus dem gesamten Saarland.
Sogar ein Film dazu wurde erstellt.
"Nichts ist mächtiger als eine Idee, deren Zeit gekommen ist"- diesen Satz von Victor Hugo gab die ZW als Leitmotiv aus. Aber konfliktfrei war das alles nicht.
So konnten sich die periodischen Vollversamm- lungen aller ZW-Projekte locker über Stunden hinziehen.Rudi, politisch sozialisiert in den saarländischen Hüttenstädten Neunkirchen und Dillingen- dort war die SPD lange wirkliche Arbeiterpartei - war eine andere Diskus- sionskultur gewohnt. Eine der Solidarität, des Respekts, und dem Ansatz, Dinge auf den Punkt zu bringen.
Diese Kultur fehlte in der Alternativbewegung. Wo hätte sie sich auch entwickeln können? Und eine Organisationsstruktur, die unterschiedliche Meinungen und Temperamente ausgleichen konnte, gab es auch nicht.
Letzteres wurde erst Jahrzehnte später versucht. Etwa im'union-co-op model', demGewerkschafts-Genossenschafts-Modell. Zugrunde liegt eine Vereinbarung zwischen der größtenIndustrie-gewerkschaft der USA, der Stahlarbeiter-gewerkschaft USW -auch der erstentrans-Atlantischen Gewerkschaft, die Arbeiter aus USA, Kanada, und Groß Britannienvereint - und dem größtenGenossenschaftsnetzwerk Europasund der Welt,Mondragon im spanischen Baskenland.
Das Modell trägt der Tatsache Rechnung, dass sich die doppelte Rolle der Genossen als Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht auflösen läßt. Die einen interessieren sich für Wettbewerbsfähigkeit und Profit, die anderen für Löhne und Arbeits-bedingungen. Hilfe kommt von berühmt gewordenen Statements des Gründungsvaters der amerikanischen Verfassung,James Madison: 'ambition must be made to counteract ambition'. Oder 'if men were an- gels, no government would be necessary'. Also die Gewaltenteilung und 'Checks und Balances'. Bedeutet, die Genossen im Gewerkschafts-Genossenschafts-Projekt können sich in Betriebsrat, Vorstand, und Aufsichtsrat wählen lassen. Aber nicht zur selben Zeit.Selbst- verwaltete Projekte nie ohne Gewerkschaft, Zusammenführung der beiden alten Säulen derArbeiterbewegung, Gewerkschaft und Genos- senschaft; soweit war damals die Alternativbe- wegung noch nicht. Undver.di und IG Metallsind es heute noch nicht. Aber das Modell wird jetzt in verschiedenen U.S. Bundesstaaten implementiert. Eine Inspiration.
Ein anderes Konfliktpotential für die ZW lag im sog. Oppenheimer'schen Transformationsgesetz. Es besagt, selbstverwaltete Betriebe und Projekte sind durch zwei Entwicklungen gefährdet: sie passen sich tendenziell dem Selbstverständnis der privatkapitalistischen Konkurrenz an und die Ideale der Selbstverwaltung gehen über Bord. Oder umgekehrt,
überbordender Idealismus und fehlende Professionalität führen zum Bankrott. Für die ZW war letzteres die Herausforderung. Eine Unter- kapitalisierung derSchreinerei Holzbockbedeutet veraltete Machinen. Die Meisterpflicht mit dem Gebot meisterlicher Entlohnung ist gerade anfangs kaum zu stemmen. Bei den Projekten fehlt erstklassisches Marketing. Die sog. 'Staatsknete' Diskussion wirft ein Schlaglicht auf eine nicht geklärte Identität. Keine Landes-, Bundes- oder EU- Mittel anzunehmen, bedeutet Autonomie und Handlungsfreiheit. Aber ist das sinnvoll, wenn gleichzeitig Millionen Mark öffentlicher Subventionen an Großunternehmen fließen?
Vergleicht man heute selbstverwaltete, oder von der Selbstverwaltung geprägte, Saarbrücker Projekte und Betriebe mit der lokalen Konkurrenz privatkapitalistischer Ketten, so hat sich vermutlich etwas umgekehrt. Früher waren die Alternativprojekte die Idealisten und Bastler. Heute haben die überlebenden Projektbetreiber gediegene fachliche und kauf- männische Erfahrungen und Abschlüsse. Bei den Beschäftigten der Ketten finden sich die Probleme von Deutschlands Niedriglohn-Sektor und Prekariat.
Weitere Einträge folgen
Fortsetzung folgt... Werkbuch IV. Phase 2: Der Weg zum Solarzeitalter demnächst hier ---> ---------------------------------------------